Johanniter September/20

Johanniter / September 2020 / Unter Freunden 23 Beiträge in der Rubrik „Denkanstoß” geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. Die Corona-Pande- mie ist auch für die Kirche eine Zumutung. Viele Gemeinden wur- den Mitte März ebenso vom pandemiebedingten Lockdown überrascht wie die Bevölkerung insgesamt. Kaum jemand kann sich daran zurückerinnern, dass Gottesdienste als Gemeinde- versammlung im Kirchen - raum und das kirchliche Leben in der jüngeren Geschichte von Amts wegen untersagt wurden. Verkündigungsfor­ mate und das kirchliche Leben mussten weitgehend digital angeboten werden. Die Abstandsregeln ließen eine andere Form nicht zu. Plötzlich war nicht nur denkbar, was früher an unüberbrückbaren Hürden scheiterte: Es wurde eine rein digitale Kirche gelebt! Eine Zeit für Macher / Durch unsere Studie zu den „Digitalen Verkündigungsformaten” während der Corona-Krise konnten wir nachweisen: In der evan - gelischen Kirche hat es einen Digitalisierungsschub gegeben. Die Kirchen haben sich mit viel Kreativi - tät, Neugierde und Flexibilität der Herausforderung gestellt. Erstaunlich ist vor allem der Befund, dass mehr als zwei Drittel der Gemeinden auch nach dem Lockdown an digitalen Verkündigungsformaten festhalten wollen. Die Corona-Pandemie war auch in der Kirche der Moment der Macher für geistliches Unternehmertum. Gegenwärtig werden Fragen wie das digitale Abend - mahl auf Leitungsebene diskutiert. Ebenso wird auf Foto: midi / Illustration: Karo Rigaud Daniel Hörsch ist sozialwissenschaftlicher Referent in der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diako - nische Profilbildung (midi). Denkanstoß Innovativ in der Krise. Gemeindeebene über hybride Formate der Verkündigung nachgedacht, also analoge und digitale Mischformen. In gewisser Wei - se hat die Pandemie wie ein Herzschritt- macher für die Kirche gewirkt – und dabei mehr Menschen erreicht: Digitale Verkün - digungsformate wurden rund drei Mal so häufig aufgerufen, wie sonst Besucher an Gottesdiensten teilgenommen ha- ben. So sind durch die Pandemie ganz neue Kontaktflächen für die Kirche entstanden. Dieser Nachfrage-Boom ist offenbar Ausdruck einer Sehnsucht nach sozialer Nähe, einer Sehnsucht also nach Beziehung in Krisen-Zeiten. Kirche wurde zudem zu einer „Geh - kirche”: Sie musste sich zwangs - läufig auf die Straßen und an die Zäune, auf die Marktplätze und in die Autokinos bewegen, um erleb - bar zu bleiben. Vom Traktor-Gottesdienst auf dem Land über die Konfirmandenarbeit mittels Schnitzeljagd durch die Stadt, Pilgergottesdienste, Posaunenchöre vor Pflegewohnheimen bis hin zu Gesprächen auf der Bank vor der Kirche, Osterstei - nen und Bibelversen auf Hauseinfahrten – Kirche wurde in den Sozialräumen sichtbar, zeigte in der Krise ihre Stärke als Netzwerk und bewies: Sie ist mehr als nur Veranstaltungskirche. Als lernende Institution ist sie dabei, die Herausforderungen, die sich durch die Corona-Pandemie noch lange stellen werden, beherzt und mit Gottvertrauen anzuneh- men – der Menschen wegen.  / Daniel Hörsch

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