Johanniter Dezember/20

Foto: Johanniter Cevin war im zweiten Studienjahr, als der Krieg in ihre Universitätsstadt kam. „Wir durften zwar raus, aber es war zu gefährlich und es gab keinen Strom. Studieren, ja ein ganz normales Leben führen, das war einfach nicht mehr möglich“, erinnert sie sich. Also zog sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sozdar und ihrer Mutter zurück in ihre Heimatstadt Qamischli, zu ihrem Vater, der als Mechatroniker bei einer Ölfirma arbeitete. 2014 beschließen sie, in die Türkei zu reisen und bei einer Verwandten in Ankara unterzukommen. Von dort aus beantragen sie über ein spezielles Aufnahmeprogramm ein Visum für Deutschland. Drei Monate später fliegen sie nach Leipzig, einer neuen Zukunft entgegen. Anschluss finden in Sachsen / In Leipzig findet sie schnell Anschluss – einer ihrer älteren Brüder war schon vor 25 Jahren in die sächsische Stadt ge- zogen und hatte sich dort ein neues Leben auf- gebaut. „Mein Philosophiestudium in Deutschland weiterzuführen, war keine Option. Es dauert zu lange und ich musste schnell Geld verdienen“, so Cevin. Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Sozdar lernt sie Deutsch, arbeitet ehrenamtlich fürs Deutsche Rote Kreuz, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und hilfreiche Kontakte zu knüpfen. Dann findet Cevin eine Ausbildung in einer Rechts - anwaltskanzlei, „doch die Arbeit nur im Büro – das war nichts für mich“. Als ihre Schwester Sozdar im Internet schließlich Informationen zu einer Ausbildung zur Rettungssanitäterin an der Johanniter-Akademie Mitteldeutschland findet, wissen beide: Das ist es! „Natürlich war es schwer, komplett von null anzu- fangen, zumal bei einer Ausbildung mit so vielen Fachbegriffen“, sagt Cevin. Doch die Schwestern unterstützen sich, lernen zu Hause und machen sich im Rettungswesen fit. Drei Module absolvieren die beiden und bestehen die Prüfung zur Rettungssani- täterin mit Bravour. Während Sozdar nach den zwei Praktika im Krankenhaus und mit finanzieller Unter - stützung durch die Johanniter auf der Rettungswache noch ihren Führerschein Klasse B ablegt, sattelt Cevin gleich auch noch eine Stufe drauf: „Jetzt kann ich sogar einen Rettungswagen fahren – das ist toll.“ Ende 2019 findet sie mit dem Abschluss in der Tasche schnell eine Stelle bei den befreundeten Maltesern, wechselt dann aber zu den Johannitern in Torgau. „Das ist so ein tolles Team“, sagt Cevin, „da wollte ich unbedingt hin!“ Sie schrieb eine Bewerbung, konn- te die Kolleginnen und Kollegen durch ihre Energie und Fähigkeiten überzeugen und ist nun seit August Rettungssanitäterin im Regionalverband Leipzig/ Nordsachsen. Manchmal ist sie auch Dolmetscherin / „Der Job macht mir wirklich viel Spaß. Es gibt jeden Tag etwas Neues zu sehen und zu lernen“, so Cevin. Besonders froh macht es sie, wenn sie dank ihrer Sprachkenntnisse ausländischen Patienten beim Übersetzen helfen kann. Und natürlich hat sie Pläne für die Zukunft: „Jetzt arbeite ich und sammle Er- fahrungen. Doch dann will ich mich weiterqualifizie - ren und Notfallsanitäterin werden.“ / Peter Altmann Porträt Von Syrien nach Sachsen Als der Bürgerkrieg ihre Heimat über- rollte, studierte Cevin Mohammad im syrischen Latakia noch Philosophie. Gemeinsam mit ihrer Familie flüchte - te sie nach Deutschland. Jetzt ist die 27-Jährige Rettungssanitäterin bei den Johannitern in Torgau. Johanniter / Dezember 2020 / Unter Freunden 21

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