Johanniter September/22

Johanniter / September 2022 / In Aktion 11 Foto: Frank Schemmann Im Gespräch: Die Geronto - login Elisabeth Feustel (links) und Juliane Thurn tauschen sich über die He­ rausforderungen der Pfle - ge von Angehörigen aus. Foto: Gerhard Bieber Seit drei Jahren sind Sie regelmäßig bei den Treffen der Johanniter-Fachstel- le für pflegende Angehörige dabei. Wie ist Ihre Situation zu Hause? / Juliane Thurn: Vor dreieinhalb Jahren ist meine jetzt 86-jährige Mutter aus Altersgründen zu mir gezogen. Sie konnte einfach nicht mehr alleine auf dem landwirtschaftlichen Anwesen leben und brauchte Hilfe im All - tag. Nun wohnen wir gemeinsam in einer Zweizimmerwohnung in der Stadt. Das klingt nach einem gewaltigen Schritt. / Juliane Thurn: Ja, es hat lange gedauert, bis sie sich eingelebt hat. Das war eine große Umstellung – für uns alle. Elisabeth Feustel: Dass man so dicht mit einem Elternteil zusammenzieht, ist schon ungewöhnlich. Im gleichen Wohnhaus ja, das kommt öfter vor. Aber eine kleine Wohnung, das ist eine große Veränderung für alle Beteiligten. So eine Situation kann aber auch sehr eng zusammenschweißen. Dabei hat der Austausch mit anderen Angehörigen geholfen? / Juliane Thurn: Absolut. Das erste Jahr war sehr schwie - rig, bis sich alles eingespielt hat. Meine Mutter hatte in dieser Zeit auch Depres - sionen und die Situation in der Familie war und ist nicht ganz einfach. Da hat es mich enorm entspannt, mit anderen Menschen zu sprechen, die in einer ähnlichen Situati - on sind. Ich nehme aus der Angehörigeng - ruppe viel mehr Tipps und Anregungen mit als durch Internetrecherchen. Und ich fühle mich in einer gewissen Weise vorbe - reitet auf das, was noch kommen könnte. Elisabeth Feustel: Man steht durch den regelmäßigen Austausch nicht plötzlich vor einem neuen Problem, sondern hat davon schon gehört und kennt vielleicht auch schon einen Lösungsweg – noch bevor das Problem auftritt. Etwa durch weitere Unter - stützungsmaßnahmen wie eine Tagespflege. Sind Unterstützungsmaßnahmen wie eine ambulante Pflege oder Tagespflege denn immer hilfreich für pflegende An- gehörige? Kann man das jedem emp- fehlen? / Elisabeth Feustel: Ich rate zum Pflegedienst, um das Verhältnis zu ent - spannen. Gerade wenn Kinder in die Situa - tion kommen, Eltern zu pflegen. Diese Rol - lenumkehr ist belastend und beansprucht die Beziehung. Wenn dann auch noch das Gefühl aufkommt, man müsse alles alleine machen, wenn keine Geschwister verfüg - bar sind, dann ist es höchste Zeit, einen Teil der Aufgaben an die Experten eines ambulanten Pflegedienstes abzugeben – etwa die Körperpflege. Der Pflegedienst wahrt eine professionelle Distanz und gleichzeitig gewinnt man als pflegende Person für sich selbst etwas Zeit. Juliane Thurn: Gerade die Einschränkung in der Privatsphäre ist enorm, wenn man in einer Wohnung zusammenlebt. In der Angehörigengruppe thematisieren wir das regelmäßig. Und dort bekomme ich „Ich habe meine Mutter wirklich noch mal neu kennen - lernen können.“ Juliane Thurn

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