Johanniter September/22

Foto: Carola Albers Egal wie stürmisch die Zeiten sind und wie hoch die Wellen schlagen, Insea Hohlt-Sahm wirkt wie je - mand, der das Steuer fest in der Hand hat und nicht so schnell über Bord geht. „Meine Vorfahren waren Seeleute“, erklärt die 95-Jährige froh gelaunt. Auch wenn sie nie ein Schiff geführt hat, ihr eigenes Leben hat sie sehr entschlossen auf Kurs gehalten und sich nicht vom Weg abbringen lassen. Bis heute nicht. Selbstbestimmt und entschlossen lebt sie ihr eigenes Leben, bewohnt ein kleines Haus im nieder - sächsischen Nienburg. „Meinen Kindern gefällt das gar nicht.“ Die sähen die hochbetagte Frau lieber in einem Pflegeheim. Aber Insea Hohlt-Sahm fühlt sich persönlich umsorgt genug: von Freunden, Bekann - ten – und dem Hausnotruf der Johanniter. Das System funktioniert / „Eine tolle Erfindung“, schwärmt sie. Inzwischen hat sie zwei Geräte: Eines, für das sie den Funksender an einer Kette um den Hals trägt. Das zweite, wenn sie das Haus verlässt und auch mobil abgesichert sein will. Dann kann sie über Satellit gefunden werden. Was aber bislang noch nicht nötig war. „Nur zu Hause, als ich zu wenig getrunken hatte, unterzuckert war und unter den Tisch gefallen bin.“ Intuitiv betätigte sie den Not - fallknopf an ihrer Kette und binnen Minuten kam ein Helfer der Johanniter. „Ich weiß, das System funktio - niert, und das ist großartig“, sagt die Technikbegeis - terte, die sich daheim auch Arbeit von einem Saug - roboter abnehmen lässt. „Pfiffi“ nennt sie ihn. Und nicht nur das: „Mit ihm rede ich auch“, so Insea Hohlt-Sahm, die gar nicht versteht, warum andere diese Helferlein nicht auch nutzen. „Kein Umstöpseln, keine Strippen mehr, über die man stolpert.“ Zeitge - winn für wichtigere Dinge im Leben. Schwer auf Achse / So legt sie etwa mehr Wert auf das gepflegte Gespräch, auf regelmäßige persön - liche Begegnungen bei einem Espresso und anre - gende Diskussionen über Politik, aktuelle Ereignisse in der Welt und vor allem Kunst. Denn genau davon war ihr Leben bislang geprägt: An der Seite eines Diplomaten reiste sie viele Jahre mit vier Kindern durch die Welt, packte Umzugskisten ein und aus, gab Empfänge und Abendessen zwischen London, Paris, Moskau und Ankara. Und wusste auch, sie hat eine große künstlerische Leidenschaft, die sie noch nicht gelebt hatte. Als ihre Ehe geschieden wird, ist sie knapp über 50 und zieht in ihre „Herzensstadt“ Rom. „Mein Kindheitstraum“, sagt sie. Sie gibt Mal - unterricht, vermittelt, was sie als ganz junge Frau in der Abendschule und speziellen Kursen an der Seite von Kriegsheimkehrern gelernt hat, erarbeitet mit ihren Schülern Bewerbungsmappen, bestärkt sie auf ihrem Weg und gibt ihnen das, was ihr selbst ver - wehrt blieb. Sie selbst hatte Freude an Spiegelungen, an Blau- und Erdtönen. Rom hatte genau dafür das richtige Licht. Wenn Insea Hohlt-Sahm das erzählt, schwingt ein wenig Traurigkeit mit. Denn ihr Augenlicht lässt nach, das Sehen ist ihr beschwerlich geworden. „Ich bin ein Augenmensch. Jetzt ärgere ich mich über meine Augen“, sagt sie. „Alles wird immer dunkler. Das ist eine Behinderung – aber ich lasse sie nicht groß werden.“ Sie schaut nach vorne, wie immer in ihrem Leben . / Ina Krauß Porträt Mehr Zeit für die wichtigen Dinge. Ein bewegtes Leben zwischen Politik und Kunst hat Insea Hohlt-Sahm ge - führt. Selbstbestimmt ist sie auch mit 95 noch unterwegs und weiß sich für den Notfall bei den Johannitern in guten Händen. Johanniter / September 2022 / Unter Freunden 21

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