Johanniter September/22

Johanniter / September 2022 / In Aktion 6 sie sich noch gut: „Alle Verwandten, Be - kannten und Freunde kamen sofort – alles wurde ausgeräumt, wochenlang.“ Besonders beeindruckt ist sie von den vielen freiwilligen Helfern, bestimmt 250 Menschen habe sie über die Zeit bei sich auf dem Grundstück gehabt. Wie etwa eine 23 Jahre junge Polizistin aus Berlin, die in der „Schlammkette“ geschippt hat. Diese vielen Freiwilligen sind nicht nur Isolde Sebastian in Erinnerung geblieben. Fast jeder Dernauer berichtet von Solidari - tät, von persönlichen Begegnungen mit wildfremden Menschen, die ihren Urlaub dafür geopfert haben, um zu helfen. Doch es bleibt auch der Verlust von beinahe all ihrem Hab und Gut. „Da war nicht viel zu retten“, erinnert sich die Seniorin. Selbst die Ohrringe in ihrer Schmuckschatulle waren schlammverkrustet. Wenn Isolde Sebastian ein Jahr nach der Katastrophe von all dem erzählt, dann schaut sie auf ein beinahe wiederherge - stelltes Haus, hofft auf Wiedereinzug im Herbst. Und weiß gleichzeitig, dass sie zu den Glücklicheren in Dernau gehört. Viele haben gar kein Haus mehr, weil es wegge - spült wurde oder wegen zu hoher Schad - stoffbelastung nicht mehr bewohnbar ist. Andere finden keine Handwerker oder kön - nen sich nicht wie sie mit einem privaten Darlehen die Instandsetzung finanzieren. Beratung tut Not / Denn auch das ist eine Wahrheit der Flutkatastrophe: Während eine Soforthilfe von den Hilfsorganisatio - nen, in Dernau ausgezahlt von den Johan - nitern, unmittelbar geholfen hat, warten die meisten Geschädigten noch immer auf die eigentliche Aufbauhilfe. „Ich hatte mei - nen Antrag schon im Herbst 2021 fertig, hatte Angebote der verschiedenen Gewer - ke eingeholt und ein Gutachten über die Schäden erstellen lassen.“ Doch dann wur - de es plötzlich schwierig: „Keiner wusste, wie die Anträge richtig gestellt werden“, sagt Isolde Sebastian. Erst im Februar die - ses Jahres hat sie dann mithilfe der Johan - niter-Beratungsstelle einen neuen Antrag gestellt und wartet auf Bewilligung. Diese ganz praktischen, aber vor allem auch die emotionalen Belastungen kann sie mit den anderen Dernauern im Zent - rum des Dorfes besprechen. Dort haben die Johanniter ein Bürgerbüro eingerichtet und ein Zirkuszelt aufgestellt. Dort finden wichtige Dorfveranstaltungen, ein Weih - nachtsmarkt, aber auch Beratungen statt. „Ich kann mir noch gut selbst helfen, vieles alleine organisieren. Aber viele Ältere wis - sen nicht, wo sie sich beraten lassen sollen. Da ist es gut, dass es einen Ort gibt, an dem die Johanniter sich um sie kümmern“, erklärt Isolde Sebastian. Weil auch den Kindern aus der Gegend der Alltag weg - gebrochen ist, gab es Ersatz: „Es toll, dass es im Zirkuszelt und mit dem Bolzplatz nebenan Angebote gibt, die ihnen etwas Normalität verschaffen“, fügt sie hinzu. Einigen Familien konnte mit extra aufge - bauten Tiny-Houses dabei geholfen wer - den, nah an ihrer Baustelle zu wohnen und sich um ihr kaputtes Haus kümmern zu können. Andere sind über die Versorgung mit Baugeräten, Werkzeug und Trocknern dankbar. Da viele der örtlichen Betriebe selbst zu den Flutopfern zählen, fehlt es im Blau-gelb leuchtet das Zirkuszelt der Johanniter wie ein Hoffnungstupfer. In den vergangenen Monaten ist es ein Anlaufpunkt für viele in Dernau geworden. Fotos: Nikolaus Brade

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