Johanniter September 2023
Foto: Stefan Greiber Axel Rulfs zieht die letzte Schraube an. „Fertig“, sagt er und strahlt über das ganze Gesicht. Vor ihm steht ein kleines Kinderfahrrad. Frisch überholt und ver - kehrssicher ausgestattet wartet es auf einen neuen Besitzer. Jetzt fehlt nur noch der Aufkleber der Poli - zei der Stadt Oldenburg mit der Registrierungsnum - mer und der Eintrag in ein Buch, in dem der 46-Jäh - rige jedes fertiggestellte Rad festhält. Doch dieses ist ein ganz besonderes Rad: Es ist die Nummer 3.000. Mobilität als Geschenk / So viele hat Axel Rulfs in der Fahrradwerkstatt der Gemeinschaftsunter- kunft für Geflüchtete (GUK) der Gemeinde Ede - wecht und der Johanniter-Unfall-Hilfe in Jeddeloh schon wiederaufbereitet – alles ehrenamtlich. „Ich habe Zeit und Lust, was zu tun“, sagt der ehemalige Maurer, der aufgrund eines Rückenleidens seinen Beruf aufgeben musste. Helfen liegt dem gebürtigen Auricher im Blut. Früher war er bei der Feuerwehr, doch der kaputte Rücken lässt auch das nicht mehr zu. Als 2015 die Menschen aus Syrien nach Deutsch - land flüchteten, stieg er bei den Johannitern ein. Von Beginn an baute er eine Fahrradwerkstatt auf. „Mobil sein ist für die Menschen, die bei uns Schutz suchen, enorm wichtig für die gesellschaftliche Teil - habe“, sagt er. Ein Auto können sich die Geflüchte - ten nicht leisten, der ÖPNV ist nicht gut genug aus - gebaut. Bleibt das Rad. Aber eines zu kaufen, ist für jene, die oft mit nichts als ihrer Kleidung am Körper in Deutschland ankommen, nicht möglich. „Viele können noch nicht einmal Rad fahren, weil es in ihren Heimatländern nicht üblich ist“, erzählt Axel Rulfs. Deshalb hat er auch zusammen mit der Polizei in der Vergangenheit Kurse in Verkehrserziehung angeboten. Die Räder werden privat, von Zweiradgeschäften oder vom Fundbüro der Gemeinde gespendet. Was noch gut in Schuss ist, überholt er. Der Rest dient als Ersatzteillager. „Gebrauchen kann ich eigentlich so gut wie alles.“ Unterstützt wird Axel Rulfs von der Gemeinde Ede - wecht. Dorthin schickt er regelmäßig Einkaufslisten mit Verschleißteilen, die er nicht aus Wracks ausbau - en kann. Die Johanniter selbst kaufen Zubehör ein, zum Beispiel Warnwesten für Kinder. Ganz wichtig ist ihm, die neuen Besitzerinnen und Besitzer der Draht - esel mit in die Verantwortung zu nehmen. Sie müs - sen sie pflegen, mit selbst angeschafften Fahrrad - schlössern sichern und Ersatzteile finanzieren. Falls sie die Gemeinde verlassen, müssen sie das Fahrrad zurückgeben. „Wenn jemand sein Rad nicht mehr braucht oder in eine andere Kommune umzieht, wird es an den nächsten weitergegeben“, erklärt Rulfs. Gespräche in der Werkstatt / Ein Problem war das nie, im Gegenteil. „Die meisten unserer Bewohnen - den packen selbst in der Fahrradwerkstatt mit an“, berichtet er. Ziel sei es, bei den Geflüchteten Eigen - initiative zu wecken. Beim Werkeln in der Werkstatt im Keller der Gemeinschaftsunterkunft kommen Rulfs und die Geflüchteten auch miteinander ins Ge - spräch. „Das wird manchmal sehr emotional“, erzählt er. Viele haben bedrückende Dinge erlebt, Trennung von ihren Liebsten, Gewalt, Verfolgung, Folter. „Dann lege ich das Werkzeug zur Seite und höre einfach nur zu.“ Für ihn sei das auch immer eine Erinnerung daran, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht. Sagt es und nimmt sich das nächste Fahrrad: die Nummer 3.001 . /Stefan Greiber Porträt Mit Werkzeug für mehr Teilhabe. Helfen kann man auf vielfältige Weise. Axel Rulfs tut das mit Schrauben- dreher und Kettenfett. Als Ehrenamt- licher hat er schon mehr als 3.000 Fahrräder wieder zum Rollen gebracht. Johanniter / September 2023 / Unter Freunden 21
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