Johanniter Juni 2024

Foto: Johanniter An den 12. Februar 2019 kann sich Dr. Mehmet Ehliz noch sehr gut erinnern. Da begann seine Reise, wie er es nennt. Tatsächlich war es die Flucht aus der Türkei, seiner Heimat, nach Griechenland. „Zuvor hatten wir noch nie etwas Illegales gemacht. Doch diese Reise war illegal. Und sie war gefährlich“, sagt der 42-Jährige. Nötig wurde sie, weil er mit dem herrschenden Regime in Konflikt geraten war, im Gefängnis saß, dann keine Möglichkeit mehr hatte, seinen Beruf auszuüben, und auch seine Frau und Kinder in der Schule Schwierigkeiten bekamen. In einem Boot machten sie sich auf den Weg nach Griechenland. „Auch wenn wir da niemanden kann - ten, unser Ziel war von Anfang an Deutschland. Das versprach uns ein Leben in Freiheit.“ Aus eigener Erfahrung / Es sollte eine abenteuerli - che Reise werden, vor allem für ihn selbst. Als Diabe - tiker ist er auf Insulin angewiesen und muss regel - mäßig trinken. „Das erste Wasser, das ich von einem Griechen bekam, war wohl das schmackhafteste meines Lebens“, erinnert er sich. Ein paar Tage ver - brachte er mit der Familie in einem Flüchtlingscamp. Dann durften sie nach Deutschland. Und fanden, wo - nach sie gesucht hatten: einen Neuanfang in Freiheit. Nicht ohne Probleme und Nöte. Sie lebten ein halbes Jahr in einer Gemeinschaftswohnung, erfuhren, wie es ist, auf engstem Raum ohne Privatsphäre in einem fremden Land zu leben. Doch Mehmet Ehliz ist ein entschlossener Mensch. Er kämpft um die Anerkennung seiner ärztlichen Aus - bildung, arbeitet während der Corona-Zeit in einem Labor und Testzentrum. Und vor allem: Er lernt die Landessprache. Heute arbeitet Dr. Mehmet Ehliz als Kinderarzt in der Neuropädiatrie der Kinderklinik Schömberg – und er spricht fließend Deutsch. Auch wenn er scherzhaft behauptet, dass ein Leben dafür zu kurz ist. Er ist diesem Land, das ihm diese zweite Chance gegeben hat, dankbar. Auch damit begrün - det er sein Engagement: Er will etwas zurückgeben. Kennt Ängste und Nöte / Schon in der Türkei hat er sich als Arzt um die Armen und Kranken geküm - mert. Das macht er nun in der Notunterkunft der Johanniter wieder: „Ich bin Mediziner geworden, weil ich helfen will. Hier kann ich helfen. Auch weil ich die Ängste und Nöte der Geflüchteten kenne“, so Ehliz. „Die häufigsten Probleme sind psychischer Natur.“ Oft treten die Symptome zeitversetzt auf. Die Flucht, das Verlassen der Heimat und auch die ungewisse Zukunft hinterlassen Spuren. Von Vorteil sind seine Sprachkenntnisse: Englisch, etwas Arabisch, ein bisschen Kurdisch: „Fast allen Patienten empfehle ich: Lernen Sie bitte Deutsch.“ Es sei wichtig, dass Menschen sich verstehen, sich austauschen können. Weil er das kann, sieht er Din - ge, die anderen vielleicht entgangen wären. Einmal im Monat führt Dr. Mehmet Ehliz die medizinischen Untersuchungen in der Notunterkunft durch. Wich - tig sind ihm Impfungen gegen Krankheiten wie die Masern. Zum Tagesgeschäft gehören chronische Er - krankungen wie Bluthochdruck und Diabetes, deren Beschwerden sich die Kranken nicht erklären konn - ten. So ist es auch die ärztliche Neugier, die ihm jedem Tag Gefallen an seiner Arbeit verschafft. Dr. Mehmet Ehliz liebt seinen Job. „Ich weiß nicht, ob man das auf Deutsch so sagt – aber wenn ich zur Arbeit gehe, dann laufen meine Beine immer vorwärts, nie rückwärts.“ /Peter Altmann Porträt Die Sprache ist der Schlüssel. Mit seiner Familie ist Dr. Mehmet Ehliz vor fünf Jahren geflüchtet. Heute arbeitet er als Kinderarzt und unter - stützt die Johanniter ehrenamtlich in einer Notunterkunft. 21 Johanniter / Juni 2024 / Unter Freunden

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