Johanniter September 2025
Da stand sie. Nackt. Stolz. Mit wehen- dem Haar. Und dem Apfel in der Hand. So stelle ich mir sie vor. Eva. Nachdem sie Nein sagte. Zu dem Verbot. Zum Paradies. Und zu Gott. Für das Neinsagen – dafür wurde Eva bestraft und vertrieben. Bis heute wird Eva dafür die Schuld in die Schuhe geschoben und mit ihr allen anderen Frauen auch. Je nach Gemeinde oder Kirche mehr oder weniger. Frauen sollen sich unterordnen, einfügen, heiraten, Hausfrau werden und Kinder bekommen. Lieber lieb als anstrengend? / Frauen aber, die Nein sagen, gelten in unserer Gesellschaft als zu laut, zu anstrengend, zu fordernd. Denn Frauen sol- len lieb sein, schön lächeln und ihrer Umgebung ein gutes Gefühl geben. Kurz: Frauen sollen Ja sagen. Das Ja ist freundlich. Es baut Beziehung auf. Das Ja bejaht. Stimmt zu. Schließt sich an. Es versöhnt. Es schafft. Es baut. Ganz am Anfang unserer Welt stand das große Ja Gottes zu unserer Welt. Und zu uns. Am Anfang war das Wort: das Ja. Gottes Ja an uns. Schöpfung. Bund. Liebe. Taufe. Abendmahl. In Gottes Ja stecken Gnade, Versöhnung, Frieden, An- nahme, Liebe. Und schließlich Jesus Christus. Gottes menschgewordenes Ja. Aber in diesem Ja Gottes steckt auch immer ein Nein. Denn Gott und Gottes Wirken lassen sich nie in einem einzigen Wort beschreiben. Zum Ja gehört eben auch das Nein. Alles Leben steht unter dem Zuspruch Gottes, und gerade deswegen müssen wir da Nein sagen, wo es nötig ist, wo das Leben, die Schöpfung oder der Mensch bedroht, abgewertet oder ungerecht behandelt werden. Ermutigt und stiftet an / Das Nein. In ihm steckt ein Stopp. Eine Unterbrechung. Eine Grenze. Ein „so geht es nicht weiter“. Das Nein unterbricht. Been- det. Verneint. Lehnt ab. Deshalb ist es wohl auch so schwer zu sagen… Und doch müssen wir es. Vielleicht kann es uns helfen, er- mutigen und anstif- ten, wenn wir aus unserer Geschichte die Neinsagenden hervorholen. Wie Eva, Judith, Jona oder Jesus selbst. Wie Rosa Parks, Martin Luther King, Sophie Scholl, Masha P. Johnson, Sinead O’Connor. Wie Fridays for Future, die Frauen im Iran und jede ein- zelne CSD-Demonstration. Wir müssen Nein sagen. Denn im Nein steckt immer auch ein Ja, zu einem anderen Zustand. Ein Ja zu Gerechtigkeit. Ein Ja zu Gott. Ein Ja zum Leben. Einem guten Leben für alle. Das Wort Amen ist Teil der jüdischen, christlichen und muslimischen Tradi- tion. Es kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „So sei es“. Es meint aber mehr. Die Verb-Wurzel ןמא meint „fest/zuverlässig sein“. Amen kann also auch bedeuten „sich fest machen in, sich verankern in, sich ausrichten auf Gott“. Ein Amen drückt Zu- stimmung aus, Vertrauen, Anteilnahme und soll das Vorangesagte bekräftigen. Was ist dem Nein also noch hinzuzufügen? Ein Amen. Und wie! Nein und Amen. / Maike Schöfer Maike Schöfer 36, ist Pfarrerin in Berlin-Adlers- hof und schreibt sowohl digital im Netz und analog im Talar gegen Ungerechtigkeiten an. Ihr Buch „Nö – Eine Anstiftung zum Neinsa- gen“ ist im Piper Verlag erschienen (siehe auch Verlosung S. 30). Denkanstoß Nein und Amen. Foto: Bahar Kaygusuz / Piper Verlag / Illustration: raufeld/Martin Rümmele Beiträge in der Rubrik „Denkanstoß“ geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder Johanniter / September 2025 / Unter Freunden 29
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