Johanniter Dezember 2025
Foto: BBK Für Samuel Mirzaian beginnt die Helferkarriere ganz klassisch: In der Schule entdeckt er den Schulsani- tätsdienst für sich. Aus einem Zeitungsartikel erfährt er von der Neugründung der Johanniter-Jugend in Herne und belegt einen Kurs. Es ist ihm daran ge- legen, Menschen mit ähnlicher Neigung kennenzuler- nen und helfen zu können. Das Interesse an Medizin ist schon früh geweckt: Großvater und Vater waren auch Ärzte. 2016 macht er dann bei den Johannitern in Nordrhein-Westfalen die Ausbildung zum Ret- tungshelfer. „Wie durch einen Tunnel“ / Ein Jahr später, mitten während der Abiturvorbereitungen, beginnen die Rückenschmerzen. Eine Augenmuskel-Lähmung setzt ein. Ein paar Tage später merkt er, dass er unsicher läuft. „Am Anfang“, so erinnert er sich, „habe ich es noch auf den Abi-Stress geschoben.“ Als die Symp- tome heftiger werden, schicken ihn die Ärzte in die Röhre, mit keinem guten Ergebnis. Bei ihm wird ein hochaggressiver Blutkrebs (Non-Hodgkin-Lymphom) diagnostiziert, ein Tumor drückt aufs Rückenmark. Noch am selben Tag folgt eine Notoperation, dann eine zweite. Schnell wird klar: Das Rückenmark ist so schwer geschädigt, dass Samuel Mirzaian mit gerade mal 19 Jahren querschnittsgelähmt sein wird. An die vier Monate Krankenhaus mit Chemotherapie und Operationen erinnert er sich nur „wie an einen Film“, den er „wie durch einen Tunnel“ erlebt hat. Erst später war Zeit, das zu verarbeiten. Wenn man den jungen Mann heute darüber sprechen hört, dann ist sein Blick auf sein Schicksal bemerkenswert. „Das Leben hat mir einen neuen Weg gewiesen. Es gibt immer einen positiven Ausweg. Es kommt darauf an, was man daraus macht.“ Sätze, die aus seinem Mund nicht wie Phrasen klingen. Er weiß, wovon er spricht. Ein zweites Leben / Denn seit der Diagnose hat sich sein Alltag um 180 Grad gedreht. Vieles musste er komplett neu lernen. Den Führerschein – nun als Roll- stuhlfahrer – neu machen. Die Elternwohnung war nicht barrierefrei. Doch Samuel Mirzaian kämpft sich zurück ins Leben und hält auch an seinem Lebensplan fest: Er holt das Abitur nach, beginnt das Medizinstu- dium an der Ruhr-Universität Bochum. Seine körper- liche Einschränkung war dabei weniger Thema als die immer wieder infrage gestellte mentale Stärke. „An- ders als der Hörsaal sind Krankenhäuser barrierefrei, bei dem einen oder anderen Praktikumsplatz ist es manchmal schwierig – aber das funktioniert schon“, so der heute 27-Jährige. Es ist vor allem sein Wille, der so einige Barrieren überwinden hilft. Samuel will Neurologe werden. „Ich denke, da kann mir die eige- ne Erfahrung sogar helfen, schließlich kann ich mich in Patienten mit Rollstuhl besser hineinversetzen.“ Und auch sein Engagement bei den Johannitern im Regionalverband Ruhr-Lippe setzt er konsequent fort. „Tatsächlich stand das nie zur Disposition, für mich war klar, dass ich das weitermache.“ Geholfen hat da auch, dass der damalige Jugendgruppenleiter ein guter Freund ist. Auch wenn einiges im aktiven Dienst mit Rollstuhl nicht funktioniert, im Sanitätsdienst betreut er die Unfallhilfsstellen bei Veranstaltungen und wird dank der neu und barrierefrei gebauten Rettungswache in Herne auch hier aktiv. Immer wie- der lotet er dabei seine eigenen Grenzen aus: „Es ist immer wieder spannend herauszufinden, wie weit ich gehen kann.“ /Peter Altmann Porträt Helfer trotz Handicap. Durch einen Schicksalsschlag ist Samuel Mirzaian schon früh an den Rollstuhl gefesselt. Seinem Lebensplan und seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Sanitäter steht das nicht im Weg. Johanniter / Dezember 2025 / Unter Freunden 27
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