Johannitermagazin 2014/03 - page 26

Als sich im Juni die Nachricht vom plötzlichen Tod
des Herausgebers der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,
Frank Schirrmacher, wie ein Lauffeuer verbreitete,
stellte ich mir die Frage: War das jetzt ein guter Tod?
Er starb innerhalb weniger Minuten an den Folgen eines
Herzinfarkts. Er hatte keine Zeit mehr, sich von Frau
und Tochter zu verabschieden. Dinge zu sagen, die ihm
wichtig waren. Menschen um Verzeihung zu bitten
oder selbst zu vergeben. Er war einfach weg. Von jetzt
auf gleich. Viele Nachrufe von Freunden und Kollegen,
die ihm nahegestanden haben, berichten davon,
wie lebensfroh und voller Zukunftspläne Schirrmacher 
in den Tagen davor noch gewesen sei. Gerade mal
54 Jahre alt, wurde er aus dem Leben gerissen.
Es sind solche dramatischen Todesfälle von bekann­
ten Persönlichkeiten, die auch diejenigen erschüt­
tern, die sie nicht näher gekannt haben. In vielen mag
kurz die Frage aufkeimen: Was wäre, wenn es mich
so träfe? Ebenso rasch werden diese Gedanken aber
auch wieder verdrängt, denn Tod und Sterben gehören
immer noch zu den Tabuthemen. Warum eigentlich?
Warum kann man über den Tod nicht genauso un­
geniert nachdenken wie über das Leben?
Warum machen wir uns nicht schon
zu Lebzeiten Gedanken, wie das
so ist mit dem Sterben? Wäre
das Sterben dann nicht er­
heblich leichter, besser
womöglich?
Und was ist denn
überhaupt ein guter
Tod? Manche mögen
es als Segen empfin­
den, von jetzt auf
gleich weg zu sein.
Andere – und zu
ihnen zähle auch
ich – finden gerade
das eine entsetz­
liche Vorstellung:
keine Zeit mehr zu
haben für letzte Worte
an Kinder und geliebte Menschen; keine Möglichkeit
zum Verabschieden; keine Chance für eine eigene
Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod.
Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würde
ich mir einen anderen Tod wünschen. Einen mit
Ankündigung. Bei dem ich weiß: Ich habe noch eine
bestimmte Zeitspanne, und dann muss ich gehen.
Dann darf ich gehen. Denn für mich ist klar: Mit diesem
Tod endet zwar mein jetziges Leben, aber mein innerer
Kern, mein Ich, wird weiterleben.
„Wird ein Mensch geboren, stirbt ein Geist; stirbt
ein Mensch, wird ein Geist geboren“, sagte einst Novalis.
Auf diese Geistgeburt möchte ich mich vorbereiten
können und nicht mit starken Medikamenten ruhig­
gestellt werden, wie es bei uns so oft geschieht.
Dieser Wunsch hat sich noch verstärkt, seit ich
zusammen mit der Palliativkrankenschwester Dorothea
Mihm das Buch „Die sieben Geheimnisse guten Ster­
bens“ geschrieben habe. Seit ich mich intensiver mit
den verschiedenen Phasen des Sterbens auseinanderge­
setzt habe, die wir alle durchlaufen müssen – sei es
nun in Sekundenschnelle oder über viele Wo­
chen hinweg. Seither weiß ich: Ja, es gibt
das gute Sterben. Es ist dann ein
gutes, wenn wir zu Lebzeiten
alles erledigt haben, was
wir erledigen wollten.
Wenn wir allen unseren
Liebsten oft genug
unsere Liebe gezeigt
haben. Wenn wir
ein sinnerfülltes
Leben hatten. Und
dann loslassen
können. Deshalb
beginnt das gute
Sterben schon jetzt
– in diesem Moment.
Weil wir die Wei­
chen dafür zu unse­
ren Lebzeiten stellen.
Annette Bopp
Denkanstoß
Gutes Sterben –
Gibt es das?
Annette Bopp
, 62, ist
Diplom-Biologin, Medizin-
Journalistin und Sachbuch­
autorin zu Gesundheits-
und Familienthemen. Gemein-
sam mit der Palliativschwester
Dorothea Mihm hat sie im
Frühjahr das Buch „Die sieben
Geheimnisse guten Sterbens“
veröffentlicht.
Illustration: Karo Rigaud; Foto: Anne Eickenberg
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johanniter 3/2014
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