

johanniter 2/2017
auf die vielen Toten und Verletzten
reagiert, die der zunehmende Stra-
ßenverkehr mit sich brachte. „Inzwi-
schen machen wir Pflege und Kin-
dergärten und noch alles mögliche
andere“, sagt von Campenhausen
und bezeichnet diese Entwicklung
als gutes Beispiel, wie Wicherns An-
spruch in die Praxis umgesetzt wird.
Not lindern im Frühmittelalter
Den Anspruch, immer und überall
vorhandene Not lindern zu helfen,
hatte der Johanniterorden schon vor
der Reformation für sich formuliert.
Auch wenn sich dessen frühmittelal-
terliche Geschichte deutlich schwe-
rer rekonstruieren lässt als das Leben
des schreibfreudigen Luther: Sicher
ist, dass am Anfang ein Hospital in
Jerusalem stand, das italienische Kauf-
leute noch vor dem Ersten Kreuzzug
1096 gestiftet hatten. „Wahrscheinlich,
um die vielen Pilger zu versorgen, die
immer nach Jerusalem kamen und
umgekippt sind, weil sie zu lange
in der Sonne standen“, scherzt von
Campenhausen.
Am Hospital entstand eine Or-
densgemeinschaft unter dem Namen
„Hospitaliter“ oder „Johanniter“, aus
der sich während der nächsten Jahr-
hunderte ein Ritterorden entwickel-
te, der um 1300 fast überall in Euro-
pa vertreten war. Eine der größeren
Niederlassungen, ordenssprachlich
„Balley“, war die in Brandenburg, die
ab dem frühen 14. Jahrhundert enge
Beziehungen zu den jeweiligen Lan-
desherren pflegte. 1539 trat Joachim
II., Kurfürst von Brandenburg, zur
lutherischen Lehre über und die
Ordensritter folgten ihm. „Seit dem,
grob gesagt, sind die Johanniter ein
evangelischer Orden“, fasst von
Campenhausen zusammen.
Inzwischen steht er mit seiner
Gruppe interessierter Fördermit-
glieder auf dem Wittenberger Markt
und erzählt vom „Zentrum für Pre-
digtkultur“, das seit 2009 im kleinen
Cranachhof ein Coaching für Predi-
ger anbietet: „Denn Luthers Aufforde-
rung, so zur Gemeinde zu sprechen,
Flanieren in der Collegienstraße – auch hier war Luther zeit seines
Lebens unterwegs.
dass es ankommt, gilt auch heute
noch. Er sagte dazu: dem Volk aufs
Maul schauen.“
Bibel als Basis
Entscheidende Voraussetzung dafür
war die deutsche Übersetzung der
Bibel, die Martin Luther gemeinsam
mit seinem Freund, dem Gelehrten
Philipp Melanchthon, gestemmt hatte
und die bis heute Grundlage der Bi-
beltexte ist, die in der Evangelischen
Kirche verwendet werden.
Wer neue Seiten an diesem alten
Buch entdecken will, ist herzlich ein-
geladen, sich am Bibelmarathon zu
beteiligen, den der Johanniterorden
organisiert und betreut. Bis zum 10.
September kann jeder täglich außer
Johanniter-Aktionen
zum Jubiläum
Im Sommer der Reformation
beteiligen sich die Johan-
niter an der „Weltausstel-
lung Reformation“, führen
Theaterstücke auf und laden
zu einem Bibel-Lesemara-
thon ein. Alle Termine und
Aktionen online unter: www. johanniter.de/wittenberg2017dienstags von 10 bis 18 Uhr in der je-
weils eigenen Sprache Lieblingsstel-
len aus der Bibel vorlesen oder auch
nur zuhören. Ort dieses Dauerlesens
ist die 2016 eröffnete Johanniterher-
berge, die nah beim Lutherhaus liegt.
Dort endet auch die kleine Refor-
mations-Führung durch den Theo-
logen und Johanniterritter Jan von
Campenhausen, der gerade noch
in ein paar prägnanten Sätzen die
Bedeutung Philipp Melanchthons
erläutert: „Er war gewissermaßen der
Drahtzieher im Hintergrund, wäh-
rend Luther auf der Bühne stand und
den Lauten gemacht hat.“ Wer mehr
wissen will, kommt in diesem Som-
mer an Wittenberg nicht vorbei.
Sigrun Matthiesen
In Aktion
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